Meine Erfahrungen mit dem Bobath-Konzept

Ich arbeite als Altenpflegerin in der Abteilung für Geriatrische Rehabilitation im Diakoniewerk München-Maxvorstadt.

Vor 2 Jahren nahm ich als externer Teilnehmer an einem zweiwöchigen Bobath-Kurs teil, der im Rahmen einer Weiterbildung für Rehabilitation stattfand. Dieser Kurs hatte einen erheblichen Einfluss auf meine Wahrnehmung und somit auch auf meinen Umgang mit den Patienten. So war es mir jetzt möglich durch Beobachten bzw. Berühren die körperliche und seelische Befindlichkeit des Patienten besser einzuschätzen, z.B. im Hinblick auf den Muskeltonus.

Das Verständnis vom Zusammenwirken sogenannter Schlüsselpunkte im menschlichen Körper wurde für mich zum Schlüssel-Erlebnis. Schlüsselpunkte sind Kontrollpunkte im menschlichen Körper: der Kopf, die Schultern, der Thorax, das Becken, die Hände und die Füße. In den Regionen dieser Kontrollpunkte befindet sich eine hohe Anzahl an Rezeptoren. Durch das Verhältnis der Schlüsselpunkte zueinander wird nicht nur der jeweilige Haltungstonus bestimmt, sondern auch der aus der Haltung resultierende Bewegungstonus. Das ZNS berechnet durch die Stellung der Schlüsselpunkte die Tonusanpassung voraus und dafür benötigte Muskelgruppen werden angespannt. Im Bereich des Kopfes befinden sich viele Rezeptoren, die Informationen an das ZNS weiterleiten. Dadurch spielt der Kopf bei einer Bewegung eine wichtige Rolle. Der Kopf wird zumeist aktiv in die Richtung gedreht in der etwas getan wird oder in die eine Bewegung eingeleitet wird, z.B. beim Aufrichten aus der Rückenlage in eine Sitzhaltung.

Es ist also möglich Menschen leichter zu bewegen wenn die Gesetzmäßigkeiten des Zusammenspiels der Schlüsselpunkte beachtet werden. Es wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, den Muskeltonus eines Patienten zu beurteilen. Er kann Auskunft über seinen körperlichen und seelischen Zustand geben, z.B. Angespanntheit kann eine Folge von Angst sein. Weiterhin können falsche Bewegungsmuster des Patienten leichter identifiziert werden. Je nach individuellen Merkmalen eines Patienten, z.B. Proportionen, Größe und Gewicht, sowie den individuellen Bewegungsmustern gibt es verschiedene Möglichkeiten Entspannung durch Positionswechsel oder Lagerungsunterstützung herbeizuführen und falschen Bewegungsmustern entgegenzuwirken.

Neben der Sicherheit des Patienten und einer rückenschonenden Arbeitsweise steht jetzt auch bei mir der Lerneffekt des Patienten, z.B. Training der entsprechenden Muskelgruppen im Vordergrund. Der Patient wird durch die aktive Einbeziehung in diese Bewegungsabläufe gefördert, so dass Ressourcen erhalten und neue Fähigkeiten erworben werden. Die Patienten sind stärker motiviert, wenn sie bei Bewegungsübergängen aktiv mithelfen können, statt völlig passiv bewegt zu werden.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch die Angehörigen auf die Vorstellung des Bobath-Konzeptes durchweg positiv reagieren. Oft wird eine Weiterversorgung zu Hause durch Angehörige oder Präsenzkräfte übernommen, diese sind für pflegetherapeutische Hinweise sehr dankbar. Als ein praktisches Beispiel führe ich hier den „tiefen Transfer“ an. Der Transfer wird dabei in 3 Etappen von einer Sitzfläche (z.B. Rollstuhl) auf eine andere Sitzfläche (Stuhl, Bett) durchgeführt. Vor Beginn des Transfers sollte das Becken aufgerichtet werden. Danach wird der Oberkörper nach vorne bewegt, soweit bis sich die Schultern und die Knie in einer Linie befinden. Damit wird eine Gewichtsverlagerung auf die Beine erzeugt. Das Gesäß wird frei und von einer Sitzfläche zur anderen in kleinen Etappen versetzt. Die Fußzehen müssen von oben betrachtet unter den Knien korrekt platziert sein und während des Umsetzens nachkorrigiert werden. Je nach Betroffenheit des Patienten steht der Pflegende helfend bzw. beratend zur Seite und stabilisiert wenn nötig Bein oder Rumpf. Dabei muss der Patient nicht stehen oder gehen können und der Pflegende muss ihn nicht heben. Das Bobath-Konzept ist kein starres Konzept. Kreativität ist möglich, ja sogar Voraussetzung. Auf jeden Patienten darf individuell eingegangen werden und der Patient hat „das letzte Wort“. Die Reaktion des Patienten ist ein Gradmesser für den Erfolg der Anwendung der pflegerischen Tätigkeit im Rahmen des Bobath-Konzeptes. Neben einem guten theoretischen Fundament braucht der Anwender des BobathKonzeptes sehr viel Übung in der Praxis bis sich eine „gesunde“ Routine einstellt. „Nicht der Patient muss gut genug sein für die Therapie, sondern wir Therapeuten müssen gut genug sein für den Patienten!“ Berta Bobath

Nicht zuletzt die wertvollen Impulse aus dem Bobath-Kurs haben dazu geführt, dass ich jetzt eine Fachweiterbildung Rehabilitation mache.

München, 14. September 2009

Heide Janssen - Kurs: 2009 – 2011, Ort: ????

Literatur (Bobath)