Dysphagie

Dysphagie (Schluckstörung) erkennen und richtig handeln

Def.: Störung des Transports von Nahrung, Flüssigkeit und Speichel von den Lippen bis zum Magen.

Physiologie:

Der physiologische Schluckvorgang wird in 3 Phasen unterteilt.
Orale (Mund)Phase mit
• Aufnahme und Zerkleinern der Nahrung
• Vermischen mit Speichel und Formen zum Bolus
• Transport in den hinteren Teil der Mundhöhle mit der Zunge
Dafür sind wichtig: Die Zähne, Lippenschluss, Kieferschluss, Beweglichkeit der Zunge und die Anspannung der Wangenmuskulatur.

Pharyngeale (Rachen)Phase mit

• Auslösen des Schluckreflexes
• Rückwärtsbewegung des Zungengrundes
• Verschluss der Atemwege nach oben zur Nase und nach unten zur Luftröhre
• Öffnen des oberen Speiseröhrenschließmuskels und
• Wellenförmige Bewegung der Rachenmuskulatur

Ösophageale (Speiseröhre)Phase mit

• Ringförmiges Zusammenziehen der Speiseröhre und
• Öffnen des unteren Speiseröhrenschließmuskels

Jede dieser Phasen kann einzeln oder mehrfach gestört sein.

Ursachen können sein
• Strukturelle Veränderungen wie z.B. Verletzungen, Entzündungen, Missbildungen, Tumore, altersbedingte Abnahme der Muskelkraft, Zahnverlust uvm.
• Neurologische Störungen wie z.B. Schlaganfall (25% aller Schluckstörungen), Schädel-Hirn-Trauma, Hirntumore, Intoxikationen, Morbus Parkinson, Demenz und Medikamenteneinwirkungen.

Hinweise auf eine Dysphagie:

• Gewichtsabnahme, Exsikkose (Austrocknung)
• Herausfließen von Speichel, Flüssigkeit und Nahrung aus dem Mund
• Gestörtes oder verlängertes Kauen
• Liegenbleiben von Nahrung im Mund (Wangentaschen)
• Steckenbleiben im Hals
• Eingeschränkte oder fehlende Kehlkopfhebung
• Husten, Räuspern, Rachen reinigen
• Gurgelnde Stimme
• Saures oder nicht saures Aufstoßen

Diese Zeichen können in Verbindung mit den Ursachen ein Hinweis auf eine Dysphagie sein. Nicht erkannte Schluckstörungen führen zu Komplikationen. Die häufigste ist eine stille Aspiration, also das unbemerkte Eindringen von Flüssigkeit oder Nahrung in die Luftröhre ohne Hustenreflex, was zu einer Pneumonie (Lungenentzündung) führt. Weitere Komplikationen können eine chronische Bronchitis, Atembeschwerden und Ersticken sein. Langfristig kann es zu Mangelernährung und Austrocknung kommen. Auch psychische und soziale Folgen können aus einer Dysphagie resultieren. So werden gemeinsame Mahlzeiten als soziale Interaktion seltener. Das Lusterlebnis des Essens und Trinkens geht verloren. Der Patient erfährt Ablehnung und die soziale Akzeptanz ist durch Speichelfluss und Nahrungsaustritt aus Mund und evtl. Nase, Verschlucken und Husten beeinträchtigt. Das Sprechvermögen ist oft reduziert. Daraus ergibt sich häufig eine Isolation. Eine professionelle Diagnostik durch Logopäde und Neurologe ist dringend erforderlich.

Mit einer genauen Anamnese, einer klinischen Untersuchung und ggf. einer endoskopischen oder röntgenologischen Untersuchung wird die Ursache und der Grad der Dysphagie diagnostiziert.
Bei sehr ausgeprägten Dysphagien und um schwere Komplikationen zu vermeiden, kann eine Intubation oder eine Tracheotomie zum Schutz der Atemwege sowie eine künstliche Ernährung nötig sein.

Therapiemöglichkeiten:

FDT (Funktionale Dysphagie Therapie): Um Funktion und Bewegung zurückzuerlangen werden zuerst vorbereitende Stimuli angeboten wie z.B. Mund und Lippen mit dem Finger durch Ausstreichen bewusst machen oder die Wangentaschen mit einer feuchten Kompresse auswischen. Des Weiteren werden Mobilisationstechniken für die Schluckmuskulatur und autonome Bewegungsübungen durchgeführt. Dazu gehören unter anderem mit der Zunge gegen einen Widerstand drücken, saugen, blasen oder gähnen (Restituierende Verfahren). Je nach Art der Schluckstörung (Ursache) werden verschiedene Schlucktechniken eingeübt. Das kann sein, das Einnehmen unterschiedlicher Kopfhaltungen oder eine Kombination von Atem anhalten, schlucken und abhusten. Begleitend können Adaptive Maßnahmen wie Kostanpassung und Trink- und Esshilfen nötig werden.

FOTT (Facio Orale Trackt Therapie): Hier wird ein besonderer Schwerpunkt auf den Einfluss zwischen Körperhaltung und Schluckakt gelegt. Ähnlich wie bei der FDT werden auch hier restituierende, adaptive und kompensatorische Verfahren angewandt. Alle daraus resultierenden Maßnahmen werden auch in die Mundpflege mit integriert.

Tipps für die Essbegleitung:

• Keine ablenkenden Reize (z.B. Fernseher).
• Aufrecht sitzen.
• Kopf leicht nach vorn neigen-falls keine alternative Kopfhaltung erforderlich.
• Essen steht in Blickrichtung vor dem Patienten.
• Flache Löffel, weite Trinkgefäße (evtl. mit Nasenkerbe) ggf. Strohhalm verwenden.
• Löffel von vorne einführen.
• Nicht zu große Bissen / Schlucke einnehmen.
• Langsam essen und gründlich kauen.
• Beim Kauen auf Lippenschluss achten.
• Beim Hinunterschlucken auf Lippen- und Kieferschluss achten.
• Nachschlucken bis Mund- und Rachenraum frei sind, evtl. Kontrolle durch hochräuspern und ausspucken.
• Den nächsten Bissen erst einnehmen, wenn alle Nahrungsreste aus Mund- und Rachenraum entfernt sind.
• Husten in der Öffentlichkeit ist erlaubt und ein wichtiger Schutz vor Aspiration.
Nachher:
• Nach dem Essen Mundpflege
• Nicht gleich hinlegen, noch eine halbe Stunde sitzen bleiben, bzw. den Oberkörper aufrecht halten.

Kostanpassung:

Fein Pürierte Kost

Geeignet: Speisen die sich zu feinem, homogenem Brei verarbeiten lassen z.B.:
Feiner nicht klebriger Grießbrei, Kartoffelpüree (gut aufgeschlagen), Gemüse wie Möhren, Sellerie, Schwarzwurzel, Blumenkohl, Kohlrabi, Zucchini (gekocht und feinpüriert), Obst wie Apfel, Birne, Aprikose, Pfirsich, Banane (gekocht, ohne Schale und Kerne feinpüriert und ggf. gesiebt), Götterspeise ohne Fruchtstücke, püriertes und gesiebtes Kalb-, Hühner-, Schweinefleisch evtl. mit dicker Sauce vermischt, Naturjoghurt, aufgeschlagener Quark, Pudding, Mousse. (Eis bedingt, wird relativ flüssig)
Nicht geeignet: körnige, faserige oder klebrige Konsistenzen z.B: Teigwaren, Reis, Spargel, Kohlgemüse, Brechbohnen, Erdbeeren, Ananas, Zitrusfrüchte, Rhabarber, Weintrauben, rohes Gemüse oder rohe Früchte, Beeren mit Kernen, gemahlene Nüsse oder Hülsenfrüchtemit Schalensplitter, Küchenkräuter

Pürierte Kost

  • Geeignet: Speisen, die sich zu Brei verarbeiten, bzw. im Mixer pürieren lassen, dabei sind je nach Nahrung bereits typische Eigenstrukturen erkennbar. Z.B. nicht klebriger Grießbrei, Schmelzflocken, gut ausgequollener Reis- oder Sagobei, weiche Polenta, Kartoffelpüree, Gemüse aus fein püriert zusätzlich Fenchel, Schnittbohnen, Spinat, Wirsing, Obst aus fein püriert aber auch roh oder gerieben zusätzlich Erdbeeren, Kiwi, püriertes Kalb-, Hühner-, Schweinefleisch evtl. mit sämiger Bratensauce vermischt, Milchprodukte aus feinpüriert zusätzlich Fruchtjoghurt oder Fruchtquark ohne Stückchen.

  • Nicht geeignet: körnige, faserige oder klebrige Konsistenzen z.B: Nudeln, Reis, Spargel, Porree, Weißkohl, Rotkohl, Rosenkohl, Grünkohl, Pflaumen, Ananas, Zitrusfrüchte, Rhabarber, Weintrauben, Beeren mit Kernen, gemahlene Nüsse oder Hülsenfrüchtemit Schalensplitter, Küchenkräuter

Weiche Kost

  • Geeignet: weiche Nahrung, die sich mit der Zunge zerdrücken lässt z.B.: zusätzlich zu pürierter Kost, Weißbrot, Toastbrot leicht angetoastet, Graubrot ohne Rinde und Körner, gut ausgequollene Nudeln, falls keine Probleme mit Flüssigkeiten in Milch eingeweichte Weißbrotstücke oder Cornflakes, Kartoffelpüree, weich gekochte Kartoffeln, weichgekochtes Gemüse wie Möhren, Sellerie, Schwarzwurzel, Blumenkohl, Brokkoli, Kohlrabi, Zucchini, Gurken, Tomaten ohne Haut und Kerne, Obst aus pürierter Kost zusätzlich sehr weiches Frischobst wie Banane, Erdbeeren, reife Pfirsiche, reife Melone, Marmelade ohne Kerne, Grütze mit Früchte, Haschee, Kalbsbrät, Hackbraten ohne Kruste, Pasteten, Leberwurst, Teewurst, Kochfische mit weichem Fleisch ohne Gräten, Milchprodukte aus pürierter Kost zusätzlich Schmelzkäse, Frischkäse, Butter, Quarkauflauf ohne Kruste, Käsesahnetorte, feuchtes Rührei, weich gekochtes Ei.

  • Nicht geeignet: grobkörnige, krümelige, faserige oder klebrige Konsistenzen z.B. Brot mit knuspriger Rinde, Faden- oder Sternchennudeln, Spargel, Porree, Reis, Spargel, Porree, Weißkohl, Rotkohl, Rosenkohl, Grünkohl, alle Blattgemüse und Salate, Ananas, Zitrusfrüchte, Rhabarber, Beeren mit Kernen, trockenes und zähes Fleisch (Wild, Rind), Fleisch/Fisch paniert oder scharf gebraten, Produkte mit unvermahlenen Körnern oder hohem Schalenanteil.

Übergangskost

  • Geeignet: Halbweiche und feste Nahrung, die sich leicht kauen lässt z.B.: zusätzlich zu oben genannten Produkten, Semmeln, Schwarzbrot ohne Körner oder Schrot, Semmelknödel, weichgekochter Reis, Nudeln, weiche Kuchen ohne Nüsse oder Rosinen, schwach geröstete Kartoffeln Kartoffelknödel, Kartoffelgratin ohne Kruste, Spargel, Pilze, Blattgemüse,- Salate, reife Ananas, Zitrusfrüchte, Marmelade, weiches Kalb, Geflügel-, Schweinefleisch, Wurst ohne Stückchen, Bratfisch mit weichem Fleisch ohne Gräten, Camembert, Brie, Schnittkäse, Siegeleier

  • Nicht geeignet: grob körnige, krustige, klebrige oder zähe Konsistenzen, z.B.: Brot mit harter Kruste, Kuchen mit Nussstückchen, rohe Karotten, Sellerie usw., Beeren mit Körnern, sehr trockenes- zähes Fleisch (Wild, Rind), Fleisch/Fisch paniert oder knusprig gebraten, Produkte mit unvermahlenen Körnern oder hohem Schalenanteil.